Filmessay (45´)
TV ORF II 2020
Ausgezeichnet mit dem Münchner Fernsehpreis Literavision 2022
von Susanne Ayoub (Regie+Drehbuch+Kamera )
Mit Klaus Demus (Erzähler)
und Katharina Knap (Stimme)
Originalfassung deutsch.
Übersetzungen ins Englische und Französische, ins Ukrainische und Rumänische.
Translations exist in English, French, Ukrainian, and Romanian.
Paul Celan stammte aus der Bukowina, „der ehemaligen Habsburgerprovinz, die nun der Geschichtslosigkeit anheim gefallen ist“, wie er es ausdrückte. Geboren wurde er 1920 in Czernowitz in eine deutschsprachige jüdische Familie. Die Orte seiner Kindheit existierten nach dem Naziterror nicht mehr, seine Familie war ermordet, er selbst verfolgt und in einem Arbeitslager gefangenworden und nur durch Glück dem Tod entronnen.
Paul Celan was from the Bukovina, “the former Habsburg province that has now fallen victim to the loss of history,” as he put it. He was born in 1920 in Czernowitz (Chernivtsi) to a German-speaking Jewish family. The locales of his childhood no longer existed after the Nazi terror. His family was murdered, and he himself was persecuted and imprisoned in a work camp. He escaped death only by good fortune.
„Antschel“ handelt von der Heimat in der Sprache, die Sprache, die für Paul Celan den einzigen Zufluchtort bedeutete.
“Antschel” deals with a homeland in language, the language that was Paul Celan’s only place of refuge.
„Erreichbar, nah und unverloren blieb inmitten der Verluste dies eine: die Sprache.“
“There was this one thing amidst the losses that remained attainable, nearby, not lost: language.”
Der Film ist ein „Landschaftsfilm“. Stadtansichten, Bilder der Vergangenheit, tauchen im Czernowitz der Gegenwart auf. Eine Fahrt nach Sadagora, wo Celans Mutter herkam, führt zur Synagoge und zum jüdischen Friedhof.
Celans Weg durch das Wien der Nachkriegszeit. Seine Identitätskarte als jüdischer Flüchtling.
The film is a “landscape film.” City views—pictures from the past—turn up again in present-day Czernowitz. A trip to Sadagora, where Celan’s mother was from, leads to the synagogue and the Jewish cemetery.
Celan’s path through postwar Vienna. His identity card as a Jewish refugee.
„Ich blieb nicht lange. Ich fand nicht, was ich zu finden gehofft hatte.“
“I didn’t stay long. I didn’t find what I had hoped to find.”
Ein Landschaftsfilm auch in anderer Weise, er interpretiert Sprachbilder von Celans Gedichten visuell.
It is a landscape film in another sense as well: it visually interprets linguistic images from Celan’s poems.
Der Erzähler des Films ist der heute 93-Jährige Klaus Demus. Er lernte Celan durch Ingeborg Bachmann in Wien kennen und blieb ein Leben lang mit ihm verbunden.
The narrator of the film is Klaus Demus, now 93 years old. He met Celan through Ingeborg Bachmann in Vienna and stayed connected to him for a lifetime.
„Verstehen kann man Dichtung immer nur poetisch. Wer nach dem eigentlich Gemeinten fragt, der hat die Poesie nicht begriffen. Denn das eigentlich Gemeinte ist wahrscheinlich unsagbar.“
“The only way you can understand poetry is poetically. If you ask what it really means, you haven’t understood what poetry is. Because what it really means is probably ineffable.”
1970 nach Jahren schwerer psychischer Krisen ertränkte sich Paul Celan in der Seine.
In 1970, after years of serious mental crises, Paul Celan drowned himself in the Seine.
Translation Geoffrey Howes